Gliederung:
Ausgangspunkt der geriatrischen Behandlung ist immer eine altersgerechte, standardisierte Funktionsdiagnostik (sog. Geriatrisches Assessment), die von einem multiprofessionell zusammengesetzten Team durchgeführt wird und nicht nur funktionelle Problembereiche aufdecken soll, sondern auch die verbliebenen funktionellen Ressourcen des älteren Patienten. Der Umfang eines standardisierten Assessments erstreckt sich dabei auf mindestens 5 Bereiche (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion und soziale Versorgung).
Aufgrund seiner besonderen Bedeutung für die geriatrische Diagnostik ist das Assessment als Grundlage jeder altersgerechten Behandlung auch ein zwingendes Mindestkriterium der geriatrischen Komplexbehandlung (OPS 8-550.-) und daher sind das Screening und Minimalassessment (OPS 1-770) sowie das standardisierte geriatrische Basisassessment (GBA, OPS 1-771) nicht zusätzlich zu einer Komplexbehandlung im Sinne des OPS 8-550 zu verschlüsseln. Einzige Ausnahme bildet derzeit das spezialisierte Sturz- und Sturzrisikoassessment (OPS 1-772), das zusätzlich zu einer Komplexbehandlung zu dokumentieren ist.
Alle OPS-Kodes für das Assessment (s. Tab. 4.P.0) sind dem erweiterten OPS-Katalog zugeordnet und haben damit derzeit vor allem für Kalkulationshäuser Bedeutung. Es ist jedoch sehr empfehlenswert, diese Kodes grundsätzlich in den geriatrischen Dokumentationsstandard zu integrieren.
Basierend auf dem Best-Practice-Ansatz des vom BMG geförderten Modellprojektes "Benchmarking in der geriatrischen Patientenversorgung" (Gemidas-QM) kann die Sturzneigung beim älteren Menschen durchaus prozedural definiert werden (vgl. "Beste Praxis Sturz" , Gemidas-QM-Panel, 2006).
Wenn unter Anwendung des Sturzassessments einschließlich des Sturzrisiko-Assessments — beispielsweise mittels der Stratify-Skala (Gemidas-QM, 2004 ) — interdisziplinär die Sturzneigung bei einem älteren Patienten festgestellt worden ist, dann sollte der ICD-Kode R29.6 zusätzlich kodiert werden. Der zugehörige Leistungsaufwand wird durch die optionale Prozedur 1-772 dokumentiert. Wenn die R29.6 kodiert wird, dann sind folgende Exklusiva zu beachten: ICD R26.2, ICD R42, ICD R55, oder "Sturzneigung bei anderenorts klassifizierten Krankheiten" (Wrobel, 2007 ).
Eine Geriatrie-DRG definiert sich nicht über die beiden zentralen Merkmale eines geriatrischen Patienten (Multimorbidität und Alter), sondern über die frührehabilitative und die teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung, die mit der OPS 8-550.- und der OPS 8-98a.- im Prozedurenkatalog hinterlegt sind. Bei der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung ist hinsichtlich der resultierenden DRG zusätzlich die Hauptdiagnose mitentscheidend, da diese zu einer bestimmten, geriatrietypischen Hauptdiagnosengruppe (MDC) gehören muss (Details siehe Kapitel Geriatrie-DRG's).
Planung und Durchführung der geriatrischen Komplexbehandlung erfordern neben den eingangs erwähnten standardisierten Assessments zwingend einen schriftlichen, wöchentlich aktualisierten Behandlungsplan mit regelmäßigen Teambesprechungen, an denen alle Teammitglieder einschließlich der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen teilnehmen (tägliche Kurzbesprechungen sowie mindestens einmal wöchentlich eine ausführliche Teambesprechung, optimalerweise ergänzt um eine Teamvisite).
In das Gesamtkonzept der Behandlung ist dabei die therapeutische Pflege durch Fachpflegepersonal zentral eingebunden, zugleich ist der Einsatz von mindestens zwei Therapeutengruppen (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, physikalische Therapie) die Regel. Die Behandlungsleitung und Koordination des geriatrischen Teams liegt in fachärztlicher Hand und erfordert aufgrund der vielfältigen und zumeist fachübergreifenden Anforderungen (internistische, neurologische, psychiatrische, orthopädische, rehabilitative, psychosoziale Problemkonstellationen) die Zusatzqualifikation "Klinische Geriatrie".
Im amtlichen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) ist die frührehabilitative geriatrische Komplexbehandlung je nach Behandlungsdauer und Behandlungsintensität in drei Kategorien unterteilt, von denen nur zwei (OPS 8-550.1, 8-550.2) im Grouperalgorithmus eine Geriatrie-DRG ansteuern können. Die OPS 8-550.0 verhält sich im Grouperalgorithmus bislang neutral und beeinflusst die Fallgruppenzuordnung nicht.
Kriterium | Anforderung nach OPS 8-550 |
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• Struktur | Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzausbildung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich; sofern diese nicht vorliegt, ist zur Aufrechterhaltung bereits bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2007 eine vergleichbare mehrjährige Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" ausreichend). |
• GerAss | Standardisiertes geriatrisches Assessment zu Beginn der Behandlung in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) und vor der Entlassung in mindestens 2 Bereichen (Selbständigkeit, Mobilität). |
• SozAss | Soziales Assessment zum bisherigen Status in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen) |
• Team | Wöchentliche Teambesprechung mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele |
• Pflege | Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal |
• Therapie | Einsatz von mindestens 2 der folgenden 4 Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/facio-orale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie |
Der für die teilstationäre geriatrische Komplexbehandlung erst 2006 zunächst eingeführte OPS-Schlüssel 8-553 wurde bereits 2007 wieder abgelöst durch die Schlüsselnummer 8-98a.-, die untergliedert wird in eine "Basisbehandlung" (8-98a.0) und eine "Umfassende Behandlung" (8-98a.1-). Die Details der teilstationären Leistungsziffer für 2007 geben die nachstehenden Tabellen wieder.
Planung und Durchführung der teilstationären geriatrischen Komplexbehandlung erfordern gleichfalls neben den eingangs erwähnten standardisierten Assessments einen schriftlichen, wöchentlich aktualisierten Behandlungsplan mit regelmäßigen Teambesprechungen, an denen alle Teammitglieder einschließlich der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen teilnehmen (tägliche Kurzbesprechungen sowie mindestens einmal wöchentlich eine ausführliche Teambesprechung, optimalerweise ergänzt um eine Teamvisite).
Die tagesbezogene Prozeduren-Definition der teilstationären geriatrischen Komplexbehandlung – die tatsächlich nie eine Ein-Tages-Behandlung, sondern praktisch stets eine mehrtägige Behandlungsepisode ist – hat zur Folge, dass
Teilstationären Behandlungstagen, an denen keine ärztliche Visite erfolgte, an denen Patienten weniger als 330 Minuten anwesend waren oder an denen das funktionelle oder soziale Assessment länger als 4 Wochen zurückliegt, kann keiner der Kodes 8-98a.- zugewiesen werden.
Kriterium | Anforderung nach OPS 8-98a |
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• Struktur | Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzausbildung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich; sofern diese nicht vorliegt, ist zur Aufrechterhaltung bereits bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2007 eine vergleichbare mehrjährige Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" ausreichend). |
• GerAss | Aktuelle Durchführung zu Beginn der Behandlung bzw. Vorhandensein (maximal 4 Wochen) eines standardisierten geriatrischen Assessments in mindestens 4 Bereichen (Mobilität, Selbsthilfefähigkeit, Kognition, Emotion) |
• SozAss | Aktuelle Durchführung zu Beginn der Behandlung bzw. Vorhandensein (maximal 4 Wochen) eines sozialen Assessments in mindestens 5 Bereichen (soziales Umfeld, Wohnumfeld, häusliche/außerhäusliche Aktivitäten, Pflege-/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen) |
• Arzt | Ärztliche Visite |
• Team | Vorhandensein folgender Bereiche: Physiotherapie, Physikalische Therapie, Ergotherapie, Psychologie/Neuropsychologie, Logopädie/fazioorale Therapie, Sozialdienst |
• Pflege | Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal |
• Dauer | Gesamtaufenthaltsdauer pro Tag in der teilstationären Einrichtung (inkl. Lagerungs- und Erholungszeiten) von mindestens 330 Minuten (ohne Transportzeiten) |
Kommentar zum OPS 8-98a.- (ab OPS Version 2007)
[01.06.2007] — Im Hinblick auf die Budgetverhandlung 2007 gilt es abzuschätzen, wie viele teilstationäre Behandlungstage dieser Konstellation entsprechen werden und wie sich der MDK in diesen Situation verhalten wird. Hierfür müssen dann wie bisher wiederum krankenhausindividuelle Tagesentgelte vereinbart werden. Daneben gilt es, abzuschätzen, wie viele Behandlungstage den Kriterien der Basisbehandlung (8-98a.0) und wie viele denen der "Umfassenden Behandlung" (8-98a.1) entsprechen werden.
Aufgrund dieser Problematik wurde seitens der Selbstverwaltung eine Abrechnung der 2007 gerade neu geschaffenen ADRG A90 zur Abrechnung der teilstationären Geriatrie kurzerhand bis nach Abschluss der Budgetverhandlung bei den Leistungserbringern "ausgesetzt". Hierzu muss man wissen: Die Selbstverwaltungspartner selbst — darunter wohl vor allem die Krankenkassen — haben auf der tagesbezogenen Definition der teilstationären Komplexbehandlung zwingend bestanden — entgegen aller sachlichen Warnungen und fachlich untermauerten Begründungen zur besonderen teilstationären Vorgehensweise in der Geriatrie.
Auf der Grundlage der Fallpauschalenvereinbarung 2007 (FPV 2007) kann festgehalten werden, dass sich die Abrechnungsregeln für teilstationäre Behandlungstage nicht grundlegend gegenüber 2006 geändert haben. Daraus folgt, dass 2007 jeder abrechenbare teilstationäre Behandlungstag den Grouperalgorithmus durchlaufen muss — besser gesagt "müsste", die verfügbaren Grouper sind dazu bislang noch nicht in der Lage. Hierfür wären über eine tägliche Prozedurendokumentation nach OPS 8-98a.- hinausgehend grundsätzlich ja auch wesentlich mehr klinische und administrative Informationen täglich erforderlich (z.B. Aufnahme- und Entlassdatum, Aufnahme und Entlassungsgrund, tagesbezogene Hauptdiagnose sowie Nebendiagnosen) — wie gesagt: täglich.
Die Grouper sind jedoch gerade auf Fälle und eben nicht auf Tage geeicht und das System ist bzw. soll ein fallpauschalierendes System sein und gerade kein tagespauschalierendes. Wer also "A" sagt, kann "B" nicht unterlassen: Die Fallgrouper müssen nun kurzfristig (auch) zu "Tagesgroupern" werden.
Neuropsychologische und logopädische Therapieleistungen sollten in jedem Fall (auch wenn die OPS 8-550 bereits kodiert ist) dokumentiert werden, da dieser spezifische Therapieaufwand aus der OPS 8-550 allein nicht abzulesen ist. Insbesondere an der Fallkostenkalkulation teilnehmende Krankenhäuser sollten mindestens diese Form der differenzierten Detaildokumentation umsetzen, zumal in der Neuropsychologie grundsätzlich, bisweilen aber auch in der Logopäde (Klinische Linguistik) akademisch ausgebildetes Personal eingesetzt wird, das im Vergleich zu den meisten übrigen Therapeuten-Berufsgruppen in der Regel höhere Kosten verursacht. Daher empfiehlt sich für eine differenziertere Kostenzuordnung die ergänzende hausinterne Verwendung eines detaillierten Aufwandsschlüssels (wie z.B. der OPS-G).
In den Fällen, bei denen die Kriterien für die OPS 8-550 wegen einer Monotherapie nicht zutreffen (z.B. nur Physio- oder nur Ergotherapie), aber ein therapeutischer Aufwand im Bereich Physiotherapie / physikalische Therapie oder Ergotherapie betrieben wurde, lässt sich dieser in folgender OPS darstellen.
Leider spiegelt sich der im geriatrischen Alltag meist sehr aufwändige psychosoziale Bereich im entgeltrelevanten DRG-Bereich nicht entsprechend wieder. Eine moderne leistungsfähige Geriatrie ist speziell ohne die Arbeit des Sozialdienstes nicht vorstellbar. Es ist zu fordern, dass sich der Aufwand im psychosozialen Bereich in den Kriterien der OPS 8-550 wiederfindet. Es besteht aber immerhin die Möglichkeit, diesen Aufwand in der OPS 9-401.5 (Integrierte psychosoziale Komplexbehandlung) darzustellen. Hiervon sollten die Geriatrien reichlich Gebrauch machen, um entsprechend verlässliche Daten über diesen Bereich zu sammeln. Darüber hinaus empfiehlt es sich im Hinblick auf eine differenzierte Aufwands- und Kostenermittlung, ergänzend hausintern einen detaillierten Leistungsschlüssel für den Sozialdienst einzusetzen (wie z.B. den Sozialdienstlichen Prozedurenschlüssel für die Geriatrie, SozOPS-G).
Eine differenzierte Kodierung bestimmter Pflegeprozeduren leistet für die Kostenanalyse einen wesentlichen Beitrag. Bei der Leistungserfassung von enteraler oder parenteraler Ernährung ist im „Normalfall“ von einer Nebenbehandlung auszugehen. Nur wenn der stationäre Aufenthalt hauptsächlich der enteralen oder parenteralen Ernährung dient, ist der Kode für eine Hauptbehandlung zu wählen. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über einige besonders relevante, kostenintensive Bereiche:
In der Krankenhausgeriatrie findet man zunehmend Prozeduren insbesondere aus dem Bereich der Operationen (OPS 5-01...5-99). Hierbei spielt das chirurgische Wunddebridement eine besondere Rolle, da die Kodierung einer chirurgischen Wundtoilette Einfluss auf die abzurechnende DRG nimmt. Entsprechend ist hier auch besonders auf eine ausführliche und sorgfältige Wund- und Wundbehandlungsdokumentation zu achten.
„Kleinere“ Operationen oder Eingriffe — wie das Legen eines suprapubischen Katheters oder eines ZVK — gehören ebenfalls zum Repertoire der Geriatrie. Gleichfalls nehmen die Indikation und die Kapazitäten für PEG-/PEJ-Legungen deutlich zu, sodass auch die Dokumentationsanforderungen dieser Leistungsberecihe in der Geriatrie steigen. Die nachstehende Tabelle fasst die häufigsten Prozeduren des ärztlichen Leistungsbereichs in der Geriatrie zusammen.
Impressum
Kodierung 2008
Kodierleitfäden
DRG-System
DRG-Literatur
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| Zuletzt geändert: 24.06.2013
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